Wie Gott will

Schwester M. Berenice Ziviani CSC

Neue Horizonte

Regina erzählt ihre Lebensgeschichte

Inhalt

1. Meine Familie

2. Die Umkehr

3. Ein neues Leben

4. Eine absolute Neuheit

5. Der Name

6. Neue Horizonte

7. Zum Schutze des Nächsten

8. Gott erzieht mich

9. Eine hingebungsvolle geistliche Begleiterin

10. Unsere Stärke und unsere Speise

11. Der Herzenswunsch


Geleitwort

Der ständig zunehmende und sich vertiefende Glaube an Jesus Christus, die Entscheidung und der Wunsch, ihm von Tag zu Tag besser und unmittelbarer nachzufolgen, machen einen Menschen zum Missionar - zuweilen unruhig und beunruhigend, ausdauernd, grenzenlos bereit, aufmerksam und schöpferisch, stets auf der Suche nach Mitteln und Wegen, auch den anderen zu ermöglichen, den Herrn zu erkennen und ihm nachzufolgen.

Dieses Büchlein ist entstanden, um diese Entwicklung - diese Wirklichkeit zu beschreiben. Ich würde mir wünschen, dass viele junge Leute darin eine Hilfe finden, um ihre Berufung zu erkennen und eine Motivation, Christi Spuren nach zugehen .... und zwar für immer!

Ein herzliches Dankeschön an Schwester Berenice Ziviani für ihre Initiative, Berufungen für das Reich Gottes zu wecken.

Am Feste Mariä Himmelfahrt, August 1988

Schwester M. Ernestina Simoes Lemos


Einführung

Regina Protmann erzählt ihre Lebensgeschichte!

Um nach mehr als 400 Jahren diese Stimme noch zu vernehmen, muß man sich in dieses Zeit und Raum überschreitendes Mysterium einstimmen. Es ist die Kraft des göttlichen Geistes, des ewig Gegenwärtigen, der in uns wohnt.

Regina Protmann zeigt die Dynamik ihres Lebens allen jungen Menschen, die sich für diese unvergänglichen und zeitlosen Ideale begeistern. Sie spricht vor allem mit großem Einfühlungsvermögen zu jedem einzelnen, der in seinem Herzen den Wunsch hegt, sein ganzes Leben dem Volk Gottes zur Verfügung zu stellen. Sie spricht zu jedem einzelnen, der davon überzeugt ist, dass Gott einen Liebesplan hat, den er nur verwirklichen kann, wenn er auf die Mithilfe von im Glauben, in der Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit engagierten Menschen zählen kann!

Liebe Leserin, lieber Leser wenn dein Herz beim Lesen dieser Geschichte angerührt wird, dann kann es sein, daß es sich möglicherweise um einen Ruf Gottes handelt, der dir den Weg zu einem geistlichen, den Interessen des Gottesreichs geweihten Lebens aufzeigen will.

„Jesus fuhr von dort weg mit einem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu seine. Und als das Volk das hörte, folgte es ihm zu Fuß aus den Städten. Und Jesus stieg aus und sah die große Menge; und sie taten ihm leid, und er heilte ihre Kranken. Am Abend aber traten seine Jünger zu ihm und sprachen: Die Gegend ist öde und die Nacht bricht herein; laß das Volk gehen, damit sie in die Dörfer gehen und zu essen kaufen. Aber Jesus sprach zu ihnen: Es ist nicht nötig, dass sie fortgehen; gebt ihr ihnen zu essen. Mt 14, 13-16

Wenn du dich heute von einem großen Ideal angezogen fühlst und wenn du fähig bist, auf die Stimme deines Herzens zu hören, dann wird vielleicht die Stimme in vier Jahrhunderten noch zu hören sein, wie diejenige dieser Frau, die auf den folgenden Seiten zu dir spricht.

Juiz de Fora, 28. August 1988

Maria Aparecida Nogueira

Koordinatorin der Gemeinschaft für die Berufungen von Juiz de Fora

Vielen herzlichen Dank auch an Schwester Lilia Stöckl, die mich ermunterte, dieses Büchlein zu veröffentlichen.

Schwester Berenice Ziviani


1

Meine Familie

Ich hatte eine beneidenswerte Kindheit und wußte nicht, was Not heißt.

M. Tingel, mein Großvater, war Präfekt von Braunsberg und Bartel Protmann, mein Onkel, war einer der vierzehn Stadträte. Mein Vater, Peter Protmann, war ein gebildeter, rechtschaffener und fleißiger Kaufmann. Abends versammelte Vater uns um das Kaminfeuer und erzählte uns die neuesten Nachrichten, die Geschichte unseres Landes, Auszüge aus der Heiligen Schrift oder dem Leben der Heiligen.

Das Leben der heiligen Katharina, der Patronin unserer Stadt, begeisterte mich besonders. Die junge und schöne, gelehrte und mutige Prinzessin schützte die Verfolgten vor dem Kaiser. Wegen ihres Glaubens an Jesus Christus wurde sie umgebracht. Wir hatten auch religiöse Auseinandersetzungen zu bestehen.

Meine Familie beteiligte sich aktiv am öffentlichen Leben der Stadt. Meine Mutter, die ebenfalls Regina hieß, kam gern und oft den Armen zu Hilfe. Ich liebte schöne Kleider, rauschende Feste und bildete mir ein, aller Liebling zu sein. Ich genoß die bewundernden Blicke meiner Verehrer und wußte um meine Wirkung auf andere.

Zum Nachdenken:

„Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?“ Und er streckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: „Siehe da, das ist meine Mutter, und das sind meine Brüder! Denn wer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter“. (Mt 12, 48-50).

2

Die Umkehr

Ich habe mich von Jesus Christus faszinieren lassen. Er erfüllte mich mit seiner Gnade. Seine Liebe entflammte mich so sehr, daß ich von Festen, Kleidern und Vergnügungen nichts mehr wissen wollte. Ich verschenkte mich an Gott und wählte Christus zu meinem Freund .... und zwar für immer.

Die Bindungen an ihn sind fester als die einer Verlobung.

Und ich schrieb ein Gebet auf, das mir am liebsten war:

O mein Herr und Gott, durchbohre mein sündiges Herz mit dem brennenden Pfeil deiner überaus großen Liebe, damit mich keine Kreatur belustige, sondern nur du allein, o mein Herr und mein Gott! Gib mir solch eine Liebe, daß ich ganz verbrenne und in dich zerfließe! O mein liebster Jesus, wohne allein in meinem Herzen und nimm mich in dein Herz auf, damit ich dir allein gefallen möge ewiglich! Auch, du mein süßer Jesus, wann werde ich dich vollkommen lieben?

O Herr Jesus, meiner Seele Süßigkeit und meines Herzens Bräutigam, ach, daß ich doch mich und die ganze Welt verachten könnte, aus lauter Liebe zu dir!

Ach, wenn doch meine Seele vor Liebe zu dir wie Wachs vor der Sonne zerschmelzen und sich gänzlich mit dir, o Herr mein Gott, vereinigen könnte!

Zum Nachdenken:

„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.“ (Mt 10,37)

3

Ein neues Leben

Ich beschloß von zuhause wegzugehen und zu einer Witwe zu ziehen. Zwei gleichgesinnte Freundinnen kamen mit mir.Für meine Familie, meine Freunde und Bekannten war das ein Skandal. Sie verstanden nichts.

Wir lebten einfach, beteten viel, taten Buße, studierten die Heilige Schrift und hörten auf das Wort Gottes. Damals war ich neunzehn Jahre alt. Meine Eltern kamen zu mir und wollten mich umstimmen. Darum beschlossen wir, in ein altes Haus in der Kirchgasse umzuziehen.

Wir lebten wie Jesus in der Grotte von Bethlehem, ganz arm. Es fehlte uns oft das Notwendigste. Ein Faß diente uns lange Zeit als Tisch. Wir hatten Hunger und litten unter der Kälte. Manchmal fühlten wir uns von allen verlassen. Trotzdem war eine große Freude in uns. Nur bei Gott suchten wir Geborgenheit und Hilfe.

Durch Nachtanbetung, Fasten und Disziplin lernten wir, von uns abzusehen und auf Jesus zu schauen. Wir gewöhnten uns daran, uns sehr schlicht und einfach zu ernähren und anzuziehen. Wir taten dies alles aus Liebe zu Jesus Christus, der, obwohl er Gott war, sich nicht in den Mittelpunkt stellte, sondern diente.

„Den Menschen gleich, erniedrigte er sich selbst, ward gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz!“ (Phil. 2,7-8)

Zum Nachdenken:

„Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Lk. 9,23)

4

Eine absolute Neuheit

Andere junge Mädchen kamen und schlossen sich uns an.Ich sprach mit ihnen über meine Erfahrungen mit Gott und weihte sie nach und nach in die Vertrautheit des Lebens mit ihm ein. Unsere Einigkeit und gegenseitige Liebe nahmen zu. Wir waren ein Herz und eine Seele. (Apg. 4,32) Wir teilten alles miteinander: Haus, Schlafraum, Tisch, Speise und Trank, wir trugen die gleichen Kleider.

Gemeinsam standen wir auf, gingen zusammen in die Kirche, beteten, arbeiteten und lernten gemeinsam. Niemals waren wir ohne Arbeit. Alle Aufgaben waren uns recht. Wir webten und halfen den Notleidenden.

Krieg und Pest hatten zahlreiche Waisen, Bedürftige und Kranke hinterlassen. Um die kümmerten wir uns. Für die Kranken kochten wir Tee, für die Hungrigen Suppe. Wir pflegten die Bettlägerigen und teilten das Wenige, was wir besaßen mit den Allerärmsten.

Mit großem Eifer sorgten wir für die Gotteshäuser und nähten Gewänder für den Gottesdienst. Es gab wohl Nonnen, die in Abgeschiedenheit lebten, und Frauen und Witwen, die Mildtätigkeit übten: es gab jedoch keine weibliche Gemeinschaft wie die unsrige.

Junge Frauen hatten gelobt, in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam zu leben und für den Nächsten da zu sein. Bei Tag und bei Nacht boten sie den anderen, so wie es nötig war, ihre Hilfe an. Dies war das Novum, das wir in die Kirche einbrachten. Wir führten als Frauen gleichzeitig ein aktives und ein kontemplatives Klosterleben.

Unsere Gemeinschaft gedieh zur Ehre Gottes und zum Wohle der Menschen durch die Kraft des Heiligen Geistes, durch die Stärkung der heiligen Kommunion, durch das Gebet und das Wort des Herrn.

Zum Nachdenken:

„Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele. Auch nicht einer sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam“

(Apg. 4,32).

5

Der Name

Wir brauchten einen Namen. Darum beschlossen wir, uns „Gesellschaft der heiligen Katharina“ zu nennen.

Seit 1571 lebten wir in Gemeinschaft. Nach zwölf Jahren der Probe und der Erfahrung genehmigte unser Bischof Martin Kromer am 18. März 1583 die ersten Regeln unserer Klostergemeinschaft mit dem Siegel des Bistums Ermland. Die Anerkennung erfolgte in Verbindung mit einer kirchlichen Feier, die der Bischof leitete und in deren Verlauf wir unsere drei Gelübde offiziell erneuerten. Ich habe mir so meine Gedanken gemacht: Man bezeichnet mich als die Mutter und Gründerin der Gesellschaft der heiligen Katharina. Ich bekleide ein Amt, wofür ich dem Herrn gegenüber Rechenschaft ablegen muß. Ich muss auf mich aufpassen. Ich bat Gott darum, mir die dazu notwendige Weisheit zu schenken. Ich habe meinen Vorsatz erneuert, den schmalen Weg der Heiligkeit zu begehen und mich in allen Tugenden zu üben. Ich habe mir die Worte des heiligen Paulus angeeignet: „Ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn“ (1 Kor. 9,27).

Die Aufgabe, die Gott mir anvertraut hatte, erfüllte ich allein mit den Mitteln des Gebets, des Fastens, der Disziplin und der Arbeit.

Ich warf mich meinem Herrn zu Füßen, als läge die Last der Verantwortung für alle Kinder Gottes allein auf mir. Mit meinen Mitschwestern betete ich für die Kirche und alle Anliegen der Christenheit und des Volkes.

Je tiefer ich mich in das Gebet versenkte, desto inniger fühlte ich mich mit Gott verbunden und von ihm angezogen. Ich bemühte mich, Jesus Christus, meinem Herrn und Meister, nachzufolgen. Alles, was ich meine Mitschwestern lehrte, habe ich von ihm erhalten. In der Schule des Herrn lernte ich die Bedeutung des Leidens und dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Röm. 8,28).

Zum Nachdenken:

„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein. Denn so du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht überfluten; und so du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige in Israel, dein Heiland. Weil du so viel Wert bist vor meinen Augen, musst du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb. Darum gebe ich Menschen an deiner statt und Völker für deine Seele. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir“ (Jes. 43, 1 b-5 a).

6

Neue Horizonte

Der Schulunterricht war den Reichen vorbehalten. Die Kinder der armen Leute begannen schon als ganz kleine Kinder zu arbeiten und wuchsen ohne Unterricht auf. So beschlossen wir, in unseren Konvent Kinder aufzunehmen, um ihnen eine ordentliche und solide Erziehung zu geben.

Wir gründeten eine Schule. Darin lernten die Kinder den Glauben an Gott und nach seinem Willen zu leben, aber auch das Schreiben und das Lesen und viele andere Dinge, die für das Leben nützlich sind. Für die damalige Zeit war eine Mädchenschule eine absolute Neuheit. Andere Städte meldeten sich und baten auch um Schwestern. So gründeten wir weitere Konvente und Schulen.

Die Anzahl der Schwestern stieg zusehends. Unser Haus wurde viel zu klein. Wir bekamen zwar Spenden von Bistum und den Städten, trotzdem hatten wir Mühe, unsere Neubauten zu vollenden. Da kam eines Tages eine Dame zu uns und sagte: „Ich sehe wohl, dass Sie besorgt sind“ und sie legte mir ein paar hundert Mark auf den Tisch. Sie verlangte eine Quittung und wollte das Geld in sieben Jahren zurück haben. Ich bat sie, einen Augenblick zu warten und ging, um ihr eine Erfrischung zu bereiten. Bei meiner Rückkehr war die Dame verschwunden, und das Geld lag auf dem Tisch. Bis heute haben wir nie mehr etwas von ihr gehört.

Zum Nachdenken: 

„Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt das Reich in Besitz, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt. 25, 34-36, 40).

7

Zum Schutze des Nächsten

Mit Höflichkeit, Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit, Verständnis, Selbstlosigkeit und Ausdauer erreichte ich von den Behörden, dass sie uns unterstützten, um den Bedürftigen, den Armen, Freunden und Verwandten helfen und beistehen zu können.

Ich fürchtete niemanden, weder geistliche noch weltliche Persönlichkeiten, weder Adelige noch Bürger. Ich schrieb ihnen Briefe, worin ich den Sachverhalt klipp und klar schilderte. Gott hat ihnen ihre Ämter verliehen, damit sie dem Volk und der Christenheit dienen.Ich tat, was ich konnte, und alle, die dazu in der Lage waren, halfen uns. Das Gefühl der Solidarität übertrug sich auf die anderen angesichts der allgemeinen großen Not.

Zum Nachdenken:

„Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes.

Wenn jemand predigt, so rede er als sei es Gottes Wort;

wenn jemand dient, tue er es aus der Kraft, die Gott gewährt,

damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus.

Sein ist die Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Petr. 4,10-11).

8

Gott erzieht uns

Ich vertraute mich dem Herrn vollkommen an. Niemals beklagte ich mich. Wenn ich erfuhr, dass jemand schlecht über mich sprach, betete ich für diesen Menschen.

Schicksalsschläge können auch Beweise für die Liebe Gottes sein, der die Menschen auf diese Weise erzieht, belehrt, züchtigt und anregt! „Es dient zu eurer Erziehung, wenn ihr dulden müßt. Wie mit seinen Kindern geht Gott mit euch um; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?“ (Heb.12,7)

Es ist eine Freude, Diener zu sein. In jedem Kranken sah ich Christus. Oft küßte ich die Wunden meiner Patienten, nachdem ich sie gewaschen hatte. Die Liebe Gottes trieb mich zu den Allerärmsten. Um ihnen zu helfen, trennte ich mich sogar von meinen eigenen Kleidern. Oft wandte ich mich an Gott mit folgendem Gebet:

Allerliebster Jesus, bewahre mich in deiner Gnade,

damit ich dich nie verlasse und niemals kränke,

indem ich mich dem Laster und der Sünde hingebe.

Laß mich, deine bescheidene Dienerin, nicht verkümmern und sterben.

Gib mir armem Geschöpf die Brösel, die von deinem Tisch herunterfallen.

Ich bin deiner großen Gnade nicht würdig, lass mich dich für immer lieben, ehren und lobpreisen.

Zum Nachdenken:

„Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (Joh. 13,34-35)

„Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen, aber den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir wohlgefallen“ (Lk. 10,21).

9

Eine hingebungsvolle geistliche Begleiterin

Das Feuer der göttlichen Liebe brannte in meinem Herzen. Die Gesellschaft Sankt Katharina wird zur Ehre Gottes weiterbestehen.Die jungen Mädchen, die kommen und sich Gott weihen, werden mein Werk in der großen kirchlichen Familie fortführen. Mit allen meinen Kräften half ich jeder einzelnen, in der Liebe heranzuwachsen. Oft war ich unterwegs, um sie in ihren Klöstern zu besuchen. Damals gab es weder Auto noch Flugzeug. Ich trotze Wind und Wetter. Vor nichts schreckte ich zurück. Ich ermunterte meine Mitschwestern, gab ihnen Belehrungen und motivierte sie in ihrem Streben nach Heiligkeit. Ich pflegte ihnen zu sagen:

„Liebe Kinder, wer bis zu seinem Lebensende in seiner Berufung ausharren will, der muss jeden Tag eine gute Tat vollbringen und für jedermann ein gutes Wort haben. Dazu bedarf es jedoch großer Anstrengungen. Die unnötigen Sorgen muss man vergessen, man muss in seinem Herzen den Frieden bewahren und alle Begebenheiten und menschlichen Schwächen mit Geduld ertragen. Man muss die Feigheit verbannen, alles Gerede vermeiden und die Sünde hassen. Sonst nützen die guten Vorsätze nichts und ihr werdet euch nie bessern.“

Ich empfahl ihnen auch, sich einem Beichtvater anzuvertrauen, damit er ihnen helfe, auf den stürmischen Wogen dieser Welt zu wandeln und sich nicht von Wind und Wellen, d.h. von schlechten Eingebungen und Versuchungen, fortreißen zu lassen. Um den Versuchungen zu widerstehen muß man bescheiden und demütig sein und auch beten.

Zum Nachdenken:

„Denn Gott ist mein Zeuge, wie ich mich im Herzen Christi Jesu nach euch allen sehne! ... ich habe euch in meinem Herzen“. (Phil. 1,8.7)

10

Unsere Kraft und unsere Speise

In meinem Elternhaus lernte ich von frühester Kindheit an, die Eucharistie zu lieben.

Als ich mich jedoch dem „Licht der Gnade“ zuwandte, gab mir Gott die Unendlichkeit seiner Liebe zu verstehen. Gott hat sich für uns hingegeben und in Brot verwandelt, um uns zu speisen. Er ist lebendig! Hier in diesem Tabernakel! Diese Vorstellung wuchs in mir so sehr, daß ich behaupten konnte, den ganzen Tag mit Jesus, dem Bräutigam meines Herzens, zu verbringen. Seine Anliegen waren die meinen. So oft wie möglich verweilte ich von Angesicht zu Angelsicht mit ihm in der Eucharistie. Ich vertraute ihm all meine Probleme an. Sonntags konnte ich mich ihm im Altarssakrament noch mehr hingeben. Den ganzen Vormittag verbrachte ich in der Kirche und schöpfte in ihm die Weisheit, die er mir unmittelbar einflößte und die ich auch den Predigten und Gottesdiensten entnahm. Meine Andacht und mein Herz gehörten der Kirche. Gemeinsam mit meinen Mitschwestern schmückte ich die Kirche für den Gottesdienst und die Eucharistiefeier.

Waren Land und Christenheit in Gefahr und wurden von Unheil bedroht, so verweilten wir in der Gegenwart des Herrn und beteten bis zu vierzig Stunden lang um Vergebung und Erbarmen.

Wie Jesus Christus standen wir mit ihm vermittelnd zwischen Volk und göttlicher Gerechtigkeit. Die Eucharistie verstärkte unsere Einigkeit und unsere Nächstenliebe. Sie stützte uns auf unserem Weg mit unseren Brüder und Schwestern, mit Gott und für Gott.

Zum Nachdenken:

„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt. Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tag auferwecken. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich ißt, leben um meinetwillen.“ (Joh. 6,51.54.57)

11

Der Herzenswunsch

Mich hungerte und dürstete nach Gott, meinem Schöpfer.Die Jahre meines Lebens zogen glücklich vorüber. Ich bereitete mich auf das Ende meines Lebens vor und hielt es für angebracht, meinen Mitschwestern aller Zeiten mein Testament als Ausdruck meines Herzenswunsches zu hinterlassen:

„Euch meinen lieben Mitschwestern hinterlasse ich eine bescheidene Botschaft:

Seid stets vor Gott, dem Vater Jesu Christi, und allen Menschen einfach und würdig in tiefer Bescheidenheit.Beweist pflichtbewussten Gehorsam und wahre Nächstenliebe. Versucht, nicht nur die gefährlichen Leidenschaften zu zügeln, sondern auch die trügerischen kleinen Versuchungen, die dem christlichen Leben schaden, wie z. B. eitles Gerede, Argwohn gegenüber euren Mitbrüdern und Mitschwestern, Gleichgültigkeit und oberflächliches Benehmen.Bemüht euch, in Frieden und Nächstenliebe in der Gemeinschaft und mit den Menschen zu leben. So wird euch Gottes Segen für immer gewiß sein“.

Ich unternahm eine letzte Reise und stattete allen Konventen einen Besuch ab. Es war der Abschied. Ich verspürte das Schwinden meiner Kräfte. Nach meiner Rückkehr nach Braunsberg hütete ich acht Wochen lang das Bett. Mein Leben lang fügte ich mich dem Willen Gottes. Mein Herz und meine Seele waren dem Herrn zugewandt. Ich war fast 61 Jahre alt.

Für meine letzte Reise in das Reich des Lichtes ließ der Herr den Zähler rückwärts laufen: 7 - 6 - 5 - 4 - 3 - 2 - 1 -   18. Januar 1613!

Zum Nachdenken:

 „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht tauglich für das Reich Gottes“ (Lk. 9,62).

Übersetzung aus dem Portugiesischen

Quellenverzeichnis

1. La bible de Jerusalem Editions du Cerf.

2. Ziviani, Ir.Berenice - Novidade no Ermland

3. Petry, Ir. Cecilia, Irs.Amanda Luft e Berenice Ziviani- Übersetzung:

    Das Leben der gottseligen Jungfrauen Regina Protmanns.


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